Migros und Bio Suisse: Unsere Antwort an euch
Categories: Früchte & Gemüse, Konsumboykott
Mit einer Postkartenaktion machten im vergangenen November und Dezember zahlreiche Aktivist_innen und Konsument_innen auf die Problematik des Dattelanbaus im israelischen Aravatal aufmerksam. Mehrere hundert Karten wurden an Migros, Coop und Bio Suisse geschickt.
Von Bio Suisse und Migros erhielten viele Absender_innen eine Antwort. Coop hingegen hüllt sich bis heute in Schweigen. Wir nehmen hier Stellung zu einigen Punkten in den eingegangenen Antwortschreiben. Viele Aktivist_innen haben auch selber reagiert und Bio Suisse oder Migros nochmals zurückgeschrieben. Wir freuen uns über dieses Engagement!
Zur Antwort von Bio Suisse:
(Zitate aus dem Antwortschreiben kursiv)
„Bio Suisse lässt keine Importe aus nach 1967 besetzten Gebieten zu.“
Das scheint auf den ersten Blick lobenswert. Doch genau hier zeigt sich das inkonsequente Verhalten von Bio Suisse. Die systematische Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland ist weitherum bekannt und für das Unternehmen - völlig zurecht - Grund genug, jegliche Zusammenarbeit zu verweigern. Erstaunlicherweise soll dieses Prinzip jedoch anderswo nicht gelten: Die Situation im Negev unterscheidet sich nicht so sehr von derjenigen in den besetzten Gebieten: Zahlreiche vom Staat nicht anerkannte Dörfer werden von der israelischen Armee regelmässig zerstört, ihr Land konfisziert. Israel verweigert der eigenen palästinensischen Bevölkerung Landerwerb und freien Zugang zu Ressourcen wie Wasser. Gleiche Menschenrechtsverletzungen, anderer Standard?
„Die Gesetze zum Landkauf werden von der israelischen Politik gestaltet. Bio Suisse kann keine Vorgaben für gesetzliche Reglungen von eigenständigen Rechtsstaaten machen.“
Nicht auf die Politik Einfluss nehmen zu können, entbindet nicht von Verantwortung. Die UNO-Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte verlangen von Unternehmen in aller Deutlichkeit, ihre Wirtschaftsbeziehungen abzubrechen, gerade wenn sie durch ihren Einfluss nicht zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen beitragen können. In Israel geht es längst nicht mehr nur um Menschenrechtsverletzungen: Ein kürzlich erschienener UN-Bericht bezichtigt Israel der Apartheid, eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Die behördliche Landvergabe spiele eine zentrale Rolle bei der rassistischen Politik. Unternehmen werden auch hier wieder an ihre Verpflichtung erinnert, wirtschaftliche Beziehungen abzubrechen, die mit dem Apartheidregime verbunden sind.
„Ob die Gesetzgebung zur Wassernutzung in einem Land einen diskriminierenden Charakter hat, wird derzeit nicht von Bio Suisse überprüft.“
Land- und Wassergrabbing geschieht selten auf betrieblicher Ebene, sondern wird durch staatlich institutionalisierte Diskriminierung ermöglicht und geschieht dann häufig völlig „legal“. Als ein Unternehmen, das sich ökologische und soziale Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, sollte Bio Suisse sich dessen bewusst sein und entsprechend handeln.
Zur Antwort von Migros
(Zitate aus dem Antwortschreiben kursiv)
„Sie [Die Migros] beteiligt sich nicht und befolgt keine Boykottaufrufe.“
Wir verstehen einen Boykott als ein zivilgesellschaftliches Instrument, um eine politische Änderung zu erzwingen (in diesem Fall die Anerkennung der grundlegenden Rechte der Palästinenser_innen). Von Migros verlangen wir nicht, sich dem Boykott anzuschliessen. Sie soll ihre Verantwortung als wirtschaftliche Akteurin wahrnehmen und die Menschenrechte zu achten.
„Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen und Handelsabkommen orientiert sich die Migros als Mitglied des UN Global Compact ebenfalls an den Menschenrechten und am humanitären Völkerrecht. Sie unternimmt zudem alle in ihrem Einflussbereich stehenden Anstrengungen, damit diese eingehalten werden.“
Der Anbau von landwirtschaftlichen Produkten in Israel steht mit zahlreichen Menschen- und Völkerrechtsverletzungen in direktem Zusammenhang, sei es die systematische Diskriminierung der heute im Land lebenden palästinensischen Bevölkerung oder die Verweigerung der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge. Ob der Einflussbereich der Migros reicht, um zur Achtung der grundlegenden Menschenrechte der Palästinenser_innen und zum Ende der Apartheid in Israel/Palästina beizutragen, kann bezweifelt werden. Will Migros als Mitglied des UN Global Compact dennoch ihre Verantwortung wahrnehmen, soll sie im Einklang mit den UNO-Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte ihre wirtschaftlichen Beziehungen zur israelischen Apartheid beenden
„Entscheide zur Produktebeschaffung fällen wir auf Basis einer umfassenden Betrachtungsweise, dazu gehören Kundenerwartungen ebenso wie politische oder ökologische Rahmenbedingen.“
Mit der Postkartenaktion haben Kund_innen ihre Erwartung an Migros klar zum Ausdruck gebracht: Es sollen keine Produkte aus der israelischen Apartheid in den Regalen stehen. Wir hoffen, dass sich engagierte Kund_innen von Migros auch weiterhin Gehör verschaffen. Wir rufen dazu auf, sich auch an einzelne Filialeiter_innen zu wenden. Mehr dazu und weitere Möglichkeiten, sich zu engagieren, in unserem nächsten Newsletter (jetzt hier anmelden!).
Anmerkung: Auf die auf den Postkarten geäusserte Kritik an der allgemeinen Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Exporteuren wie Mehadrin und Hadiklaim, die auch in den besetzten Gebieten die israelische Politik entscheidend mittragen, gehen weder Bio Suisse noch Migros ein. Der UN-Menschenrechtsrat hat einen Bericht über Unternehmen veröffentlicht, die in israelischen Siedlungen tätig sind. Obwohl der Bericht keine der Siedlungsunternehmen beim Namen nennt, kann davon ausgegangen werden, dass Mehadrin und Hadiklaim auch unter den über 140 aufgenommenen israelischen Firmen sind.