Beschwerde von BDS Schweiz wegen Radiosendung über den Kulturboykott

27.06.2018

Categories: Angriffe gegen BDS, BDS-Argumente

Am 29. November 2017 wurde im Schweizer Radio SRF 2 Kultur ein Interview zum kulturellen Boykott Israels ausgestrahlt. Darin bezeichnete die Religionsredaktorin Judith Wipfler die BDS-Bewegung als antisemitisch und unterstellt ihr Absichten, Ziele und Aussagen, die nicht den Fakten entsprechen. BDS Schweiz hat sich mit einer Beschwerde an die Ombudsstelle von SRF gewendet.

Unsere Beschwerde inklusive einer Abschrift der Sendung ist hier zu finden.
Eine PDF-Version der kommentierten Antwort der Ombudsstelle ist hier verfügbar.

Hier kommentieren wir nun die Antwort der Ombudsstelle der SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft), die selber eine von Ombudsmann Roger Blum verfasste ideologische Parteinahme ist. Der erste Teil der Stellungnahme wurde weggelassen, weil er die Punkte der Beschwerde von BDS Schweiz wiederholt.

Radio «SRF Kultur»-Interview mit Judith Wipfler zum Israel-Boykott beanstandet

Argumentation Ombudsstelle Kommentar BDS Schweiz

Mit Ihrer E-Mail und Ihrem Brief vom 18. Dezember 2017 beanstandeten Sie das Interview zum Israel-Boykott durch die Bewegung BDS (Boykott, Devestment and Sanctions) innerhalb der Sendung „Kultur kompakt“ (Radio SRF 2 Kultur) vom 29. November 2017 (Minuten 13:14-18:34). Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für SRF 2 Kultur antworteten Frau Barbara Gysi, Programmleitung, Bereichsleitung Musik und Swiss Satellite Radios, sowie Frau Judith Wipfler, Teamleitung Fachredaktion Religion Radio:

 

„SRF Kultur weist die Beanstandung von BDS-Schweiz vom Dezember 2017 mit Nachdruck zurück. Im Folgenden nehmen wir im Detail Stellung.

Judith Wipfler hat die BDS-Bewegung nicht diskriminiert, sondern deren Grundanliegen sachgerecht gewürdigt, nämlich zur Verbesserung der Lebenssituation von Palästinensern beitragen zu wollen.

Der Vorwurf an Judith Wipfler lautet nicht, dass sie BDS-Bewegung "diskriminiert hat", sondern dass sie diese unsachgerecht und in grob verleumderischer Weise darstellt.

Von einem Beitrag mit dem Titel „Welche Ziele verfolgt die Boykottorganisation BDS“ könnte erwartet werden, dass er die BDS-Kampagne anhand ihrer deklarierten Ziele misst und das Wesentliche dieser Kampagne herausarbeitet. Judith Wipfler ignoriert in ihrer Darstellung die von der Kampagne selbst formulierten Ziele und macht sich nicht die Mühe, auf deren öffentlich zugänglichen Dokumente einzugehen. Mit der Reduzierung auf den Willen zur „Verbesserung der Lebenssituation von Palästinensern“ oder „Empathie für die Palästinenser“ werden die Grundanliegen der Bewegung nicht „sachgerecht gewürdigt“.

Sie hat im kritisierten Beitrag BDS-UnterstützerInnen sogar vor einem pauschalen Antisemitismusvorwurf in Schutz genommen, indem sie ausführte, dass nicht alle, die eine BDS-Aktion unterstützen, gleich Antisemiten seien.

Mit dem Begriff „sogar“ betonen Sie, Judith Wipfler habe BDS-UnterstützerInnen vor einem pauschalen Antisemitismusvorwurf in Schutz genommen“ [Hervorhebungen von uns]. Wir lehnen Antisemitismus und jede andere Form von Rassismus ab und gehen davon aus, dass entsprechende Vorwürfe in jedem Fall konkret zu belegen ist. Anderenfalls haben sie eine rein rhetorische und diffamierende Funktion. Die Vermeidung pauschaler Vorwürfe ist noch kein Beleg für eine seriöse Auseinandersetzung.

Der Beitrag bezog sich in Hauptteilen auch gar nicht auf konkrete BDS-Gruppen, sondern sprach mehrheitlich über das Phänomen von Israel-Boykott als solchem. Der ‚Komplett-Boykott Israels‘ war es auch, den Judith Wipfler als antisemitisch kennzeichnete.

Wie ein Blick auf die Abschrift der Sendung zeigt, beziehen sich sowohl Iren Grüter in der Einleitung und den Fragen als auch Judith Wipfler in ihren Antworten mehrheitlich konkret auf die BDS-Bewegung. Den Vorwurf der unsachgerechten Darstellung muss sich Judith Wipfler gerade deshalb gefallen lassen, weil sie eine Reihe von falschen und/oder diffamierenden Aussagen über BDS macht, die weder den Zielen noch den Praktiken der Kampagne entsprechen. Dies gilt namentlich für die Behauptung einer offiziellen Unterstützung durch arabische Staaten, den Iran und Terrorgruppen wie auch für die behauptete Analogie zum Nationalsozialismus sowie die unterstellten Vernichtungsabsichten und Schuldzuweisung an Juden/Jüdinnen.

Mit genau dieser Einschätzung kann sie sich auf Stimmen der Wissenschaft und Politik stützen (siehe unten).

Fachleute aus Politologie, Geschichtswissenschaft, Antisemitismusforschung und Sozialwissenschaften haben sich eingehend mit der Rhetorik des BDS und Israelboykotteuren befasst und darin immer wieder klassische antisemitische Stereotype festgestellt, wozu etwa der sachlich wie historisch unzulässige Apartheids-Vergleich gehören oder auch eine Delegitimierung und Dämonisierung des Staates Israels, um dessen Existenzrecht infrage zu stellen. Auch eine Überfokussierung Israels gehört dazu.

Zu unseren Ausführungen über das sogenannte Existenzrecht Israels und zum Boykott als legitimem und etabliertem Mittel politischen Drucks gehen Sie nicht ein. Stattdessen verweisen Sie auf „Stimmen der Wissenschaft und Politik“, die der BDS-Bewegung Antisemitismus unterstellen und sich dabei ebenfalls problematischer und schwammiger Konzepte bedienen.

BDS äussert sich, wie in der Beanstandung bereits ausgeführt, nicht zum sogenannten „Existenzrecht“ Israels. Entgegen dem, was der Begriff suggeriert, ist das Existenzrecht von Staaten auch keine rechtliche Kategorie. Staaten erhalten ihre Legitimität dadurch, dass sie von anderen Staaten anerkannt werden. BDS fordert vom bestehenden Staat Israel schlicht die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und Standards.

Ad „sachlich wie historisch unzulässiger Apartheid-Vergleich“: Historische Vergleiche können mehr oder weniger stichhaltig oder überzeugend sein, was an der Sachlichkeit der Kriterien zu messen ist. Das Verbrechen der Apartheid ist im UN-Übereinkommen zur Überwindung und Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung definiert. Anhand dieser Kriterien – und nicht anhand einer unpräzisen moralischen Kategorie von „unzulässig“ – ist zu beurteilen, ob die Bezeichnung Apartheid auf ein Land zutrifft oder nicht. In einer von der Wirtschafts- und Sozialkommission der UNO für Westafrika in Auftrag gegebenen Studie kommen die beiden Wissenschaftler Virginia Tilley und Richard Falk zum Schluss, dass sich Israel gegenüber den PalästinenserInnen des Verbrechens der Apartheid schuldig macht – eine Einschätzung, die auch von zahlreichen prominenten südafrikanischen Apartheidgegnern geteilt wird.

Ad Dämonisierung und Überfokussierung: Diese Begriffe stammen zusammen mit dem Begriff Delegitimierung aus der Feder des ehemaligen israelischen Aussenministers Natan Sharansky und dienen einer hochgradig politisch bzw. ideologisch motivierten Abwehr von Kritik an der konkreten israelischen Politik. Ein Unrecht beim Namen zu nennen, zu kritisieren und auf dessen Beseitigung hinzuwirken ist, in welchem Kontext auch immer, so lange berechtigt, solange der Unrechtszustand besteht. Die Menschen- und Völkerrechtsverletzungen, die die BDS-Bewegung Israel vorwirft, sind in unzähligen Studien, Analysen und Dokumente von UN-Gremien, Wissenschaftlern, NGOs, JournalistInnen dokumentiert. Von Dämonisierung könnte dort gesprochen werden, wo aufgrund von unwahren Aussagen Stimmung gegen ein Land oder Personen gemacht wird. Insofern fällt der Vorwurf der Dämonisierung eher auf einige der Behauptungen von Judith Wipfler und den von ihr genannten Quellen zurück, was deren Polemik gegen BDS betrifft.

Siehe dazu das Tangram Heft vom Juni 2017 der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus16; es beschreibt, wie Kritik an israelischer Politik nicht grundsätzlich, aber immer wieder eine aktuelle Form von Antisemitismus darstellen kann, vor allem wenn sie eine Fundamentalkritik an Israel darstellt und das Lebensrecht des Staates infrage stellt. Laut Kommission ist der aktuelle Antisemitismus stark durchwirkt vom Palästina-Israel-Konflikt. Dahinein spielen dann auch wieder traditionelle antisemitische Bilder und Vorurteile. (Siehe dort besonders den Artikel: <Antisemitismus im Zeitalter der Globalisierung. Der ‚Jude‘ und Israel als Synonyme für westlichen Imperialismus>)

Die Artikel des genannten Heftes beschäftigen sich nicht mit der BDS-Kampagne. Im genannten Beitrag „Antisemitismus im Zeitalter der Globalisierung“ erwähnt der Autor die Forderung nach einem „künstlerischen und wissenschaftlichen Boykott israelischer Intellektueller“. Eine solche Forderung vertritt, wie in unserem Schreiben erwähnt, die BDS-Kampagne nicht, da sich der kulturelle Boykott gegen Institutionen und nicht gegen Individuen und Werke aufgrund ihrer Identität oder Herkunft oder Ansichten richtet.

Die Schweiz ist noch bis März 2018 Präsidentin der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)17. Sie definierte wie folgt: <Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.> Zum israelbezogenen Antisemitismus hält sie fest: <Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.>

Wie dem zitierten Tangram-Heft (S. 39, „Müssige Debatte um geeignete Definition von Antisemitismus“) zu entnehmen ist, fehlt auf internationaler Ebene eine offiziell verbindliche Definition von Antisemitismus. Die von der IHRA angenommene Definition enthält die ersten zwei von Ihnen zitierten Sätze. Der dritte Satz zum „israelbezogenen Antisemitismus“ gehört zu aufgeführten Beispielen, die gerade deshalb nicht als Teil der Definition angenommen wurden, weil einzelne davon höchst umstritten sind und einer Einschränkung der politischen Meinungsfreiheit gleichkommen (siehe z.B. das Gutachten des britischen Kronanwalt und Menschenrechtsexperten Hugh Tomlinson, http://freespeechonisrael.org.uk/ihra-opinion/#sthash.1UEfkapu.CtgWzi2L.dpbs) Dessen ungeachtet werden sie in Ihrer Antwort und von anderen Kreisen, die Kritik an Israel zu delegitimieren versuchen, so präsentiert, als gehörten sie zu einer international anerkannten Definition von Antisemitismus.

Folgerichtig verurteilte nur zum Beispiel die European Sociological Association (ESA) den akademischen Israelboykott als antisemitisch, der ja auch von Judith Wipfler angesprochen wurde:18

Zahlreiche andere Organisationen kommen zu einer anderen Beurteilung und unterstützen den akademischen Boykott von Israel, siehe z.B. http://www.usacbi.org/academic-associations-endorsing-boycott/ und http://usacbi.org/global-boycott-campaigns/.

Prof. Samuel Salzborn (TU Berlin) geht sogar so weit, BDS als ‚die‘ neue Antisemitismus-Bewegung bezeichnen. Das haben wir bewusst nicht getan. Aber seine in der Fachwelt anerkannten Forschungen wurden an der Universität Göttingen und TU Berlin publiziert.19

Was nun: Ist Prof. Salzborn für Sie eine glaubwürdige Referenz oder nicht? Samuel Salzborn hatte bis Juni 2017 eine befristete Professur an der Universität Göttingen, die nicht verlängert wurde. Er ist regelmässiger Autor der „antideutsch“ ausgerichteten Jungle World. In der genannten Studie verwendet Salzborn die umstrittenen Passagen der Antisemitismusdefinition ebenfalls so, als bestünde darin ein (europäischer) Konsens. Für Salzborn ist es bereits eine „Unterstellung“, zu behaupten, Israel begehe Völker- und Menschenrechtsverletzungen. Er vertritt historisch unhaltbare Positionen wie die Leugnung der Vertreibung der PalästinenserInnen im Zuge der Staatsgründung. Zudem negiert er die auf ethnisch-religiöser Basis bestehende Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung und das palästinensische Rückkehrrecht. Folgerichtig gelten die Benennung dieser Fakten und die Forderung nach Anerkennung der völkerrechtlich verbürgten Grundrechte für die PalästinenserInnen Salzborn schon als Belege für Antisemitismus.

Beigefügt finden Sie auch einen vertiefenden Artikel von Sebastian Mohr vom Internationalen Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung in Berlin, der die antisemitische und hetzerische Rhetorik von Israelboykotteuren exemplarisch für die Kirchen analysiert.20

Sebastian Mohr stützt sich in seiner Beurteilung der BDS-Kampagne auf Samuel Salzborn. Er beschreibt detailliert die breite Unterstützung, die die BDS-Kampagne in kirchlichen Kreisen erhält und benennt korrekt all die Kritikpunkte, die BDS gegenüber der israelischen Politik erhebt. Allerdings weist er sie schlichtweg zurück und qualifiziert sie aus diesem Grund als antisemtisch. Da Mohr offenbar Mühe mit der Vorstellung von Israel als einem Staat gleichberechtigter BürgerInnen ungeachtet ihrer religiösen Zugehörigkeit hat, assoziiert er dieses Konzept mit „Vernichtung“ – auch dies ein Beispiel, das man der Kategorie von „Dämonisierung“ zuordnen könnte.

Aufgrund dieser Einschätzungen entschlossen sich die ARD (Fall Roger Waters, der auch Anstoss unserer Kurzberichterstattung war)21 wie auch mehrere deutsche Stadtregierungen, jede Zusammenarbeit oder Unterstützung von BDS zu beenden.22 Danach verurteilen Frankfurt, München und Berlin BDS, respektive Israelboykott als antisemitisch.

BDS kritisiert diese politischen Vorstösse und weist die darin vorgebrachten Argumente als unzutreffend und diffamierend zurück. Die Beschlüsse stützen sich im Wesentlichen auf dieselbe Argumentationslinie wie Samuel Salzborn, Sebastian Mohr, Judith Wipfler und andere Stimmen, die die Politik Israels verharmlosen und sich der inhaltlichen Auseinandersetzung damit kategorisch entziehen.

Im Schweizer Nationalrat wurde eine ganz ähnlich lautende Motion von Nationalrat Imark lange diskutiert und in abgeschwächter Form von beiden Kammern des Parlaments angenommen.23

Interessanterweise übergehen Sie die Tatsache, dass eben genau die Passage der Motion Imark, die analog zu den politischen Vorstössen in Deutschland auf BDS Bezug nimmt, vom Ständerat explizit gestrichen wurde.

Judith Wipflers Anmerkungen zum Druck, der von Israel-Boykotteuren auf Künstlerinnen und Künstler ausgeübt wird, Israel nicht zu besuchen und dort nicht aufzutreten, ist ein Faktum, und vielfach nachzuweisen, - ein jüngster Fall war Radiohead. Es ist zutreffend, dass alle einigermassen bekannten Künstlerinnen und Künstler, die Auftritte in Israel planen, in sozialen Medien unter Druck gesetzt werden, dies nicht zu tun, und diejenigen, die doch reisen, Schmähungen und Drohungen ausgesetzt sind.

Druck in Form von Boykottaufrufen ist ein legitimes und verbreitetes Mittel politischer Arbeit und fällt unter das Recht auf freie Meinungsäusserung. Die BDS-Kampagne richtet sich tatsächlich mit öffentlichen Briefen an Kulturschaffende, die Auftritte in Israel planen, und fordert sie dazu auf, ihre Veranstaltungen abzusagen, solange Israel grundlegende Menschenrechte der PalästinenserInnen missachtet und das Völkerrecht verletzt. Diffamierend an Wipflers Aussage ist, dass sie diese legitime Form freier Meinungsäusserung und politischer Kampagnen zu diskreditieren versucht, indem sie ihr das Etikett „Schmähungen und Drohungen“ aufdrückt, obwohl diese nicht zum Repertoire der BDS-Kampagne gehören. Über den Tonfall der offenen Briefe an Kulturschaffende könnten Sie sich auf der Website von BDS in der Rubrik "Kultureller Boykott" informieren.

Der Schweizer Tagesanzeiger spricht diesbezüglich im Artikel anbei vom 4. Januar 2018 von <der antisemitischen BDS-Kampagne (‚Boycott, Divestment and Sanctions‘). BDS fordert den kulturellen Boykott Israels und hetzt gegen alle, die in Israel auftreten>.24

Was Sie zu erwähnen unterlassen, ist, dass zu dieser diffamierenden Aussage von Jan Kedves in Absprache mit der Redaktion am 17. Januar in Tagesanzeiger und Bund eine Stellungnahme von BDS erschienen ist, in der wir u.a. schreiben: „Boykottaufrufe von BDS zielen nie darauf, Künstler wegen ihrer Herkunft oder Identität zu boykottieren. BDS appelliert in sachlichem und respektvollem Ton an Kulturschaffende, Projekte zu boykottieren, die von staatlichen israelischen Institutionen unterstützt werden bzw. bei denen dies Institutionen als Partner auftreten ...“ Eine ausführlichere Stellungnahme zum Artikel von Jan Kedves findet sich zudem auf unserer Website.

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG protestierte bereits mehrfach gegen Kampagnen zum Komplett-Boykott Israels, die er klar als antijüdisch empfindet. SIG-Präsident Dr. Herbert Winter, selbst Jurist, sagte anlässlich einer entsprechenden Kampagne 2011 gegenüber DRS/SRF, er respektiere Kritik an der israelischen Politik, aber Kritik sei das eine und ein Boykottaufruf etwas anderes. Befremdend sei zudem die Machart eines Kampagnenplakates, so Winter weiter. Neben den Politiker-Portraits steht geschrieben: ‚Israelische Produkte? Kaufe ich nie!‘ Dies erinnert SIG-Präsident Winter an die Zeit der Naziherrschaft in Deutschland. Damals habe man überall lesen können, ‚Kauft nicht bei Juden‘.25

Es ist das Recht von Dr. Herbert Winter, Boykott als politisches Instrument generell oder gegenüber Israel abzulehnen und sich zu wünschen, die Kritik an Israel und der anhaltenden Straflosigkeit israelischer Völkerrechtsverletzungen werde zahnloser formuliert. Der vollständige Text des von H. Winter kritisierten BDS-Plakats lautet: „Israelische Produkte? Kaufe ich nie, bis Israel das Völkerrecht einhält und die legitimen Rechte der PalästinenserInnen anerkennt“. Der unterschlagene Zusatz macht deutlich, dass es sich um eine Kampagne handelt, die eine Änderung der politischen Praxis Israels im Bezug auf die PalästinenserInnen zum Ziel hat und insofern klar bedingt und befristet ist. Mit einer wie immer gearteten Bedrohung der Existenz jüdischer Menschen hat dies nichts zu tun.

Zur Frage der Wirkung solcher Boykotte brachte Judith Wipfler das Beispiel der Firma Soda Club, die aufgrund der Boykotte ihre Fabrik aus der Westbank in den Negev und nach Australien verlegte, was 450 Palästinensern ihren Arbeitsplatz kostete26, also mehrheitlich palästinensischen Familien den Lebensunterhalt entzog. Das Beispiel zeigt, wie ambivalent solche Boykottkampagnen wirken können. Dies zu unterstützen, sei falsch gewesen, rügte auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund sein Hilfswerk Evangelischer Kirchen Schweiz HEKS, das eine unterstützende Anzeige in der NZZ geschaltet hatte. Der Zürcher Kantonalkirchenpräsident Michel Müller sagte, dass beim Wortlaut des HEKS-Inserats (die berüchtigte Nazi-Parole) ‚Kauft nicht beim Juden!‘ in der Luft liege.27

Sie wiederholen hier Ihre ungenaue und inhaltlich nicht überzeugende Interpretation, ohne auf unsere Argumentation in der Beanstandung einzugehen.

Man kann von einem Komplett-Boykott Israels also durchaus eine Linie ziehen zum ‚Kauft nicht bei Juden‘. - als ‚kann‘ hat es Fachredaktorin Judith Wipfler auch korrekt formuliert. Sie wurde nach ihrer Einschätzung gefragt, die sie, wie Sie jetzt hoffentlich nachvollziehen konnten, gut begründen und wissenschaftlich abstützen kann.“

Man „kann“ nur dann, wenn man Juden/Jüdinnen mit der israelischen Politik gleichsetzt, Fakten zur Politik Israels ignoriert, sich auf einseitig wissenschaftliche Quellen stützt und die deklarierten Intentionen der BDS-Bewegung falsch darstellt. Genau darin besteht der tendenziöse und diffamierende Charakter der Aussagen von Judith Wipfler.

Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Meine Aufgabe ist es zu prüfen, ob das Publikum durch das Interview manipuliert worden ist, ob ihm also falsche Fakten aufgetischt wurden, so dass es sich nicht frei eine eigene Meinung bilden konnte. Nicht meine Aufgabe ist es zu prüfen, ob die Organisation BDS verleumdet worden ist. Das wäre eine Angelegenheit des Zivil- oder Strafrichters. Den Vorwurf, Radio SRF 2 Kultur habe über BDS auf „grob verleumderische Weise“ berichtet, lasse ich also beiseite.

Hingegen prüfe ich, ob das Interview das Transparenzgebot und das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt habe, insbesondere durch zu wenig deutliche Trennung zwischen Faktendarlegung und Meinung (mangelnde Transparenz), durch fehlende Recherche direkt bei Ihnen sowie durch die Vorwürfe, Antisemitismus zu betreiben, das Existenzrechts Israels zu negieren, Unterstützung durch Staaten und Terrororganisationen zu erhalten und Palästinenser in die Arbeitslosigkeit zu treiben (fehlende Sachgerechtigkeit).

Zuerst aber müssen einige Hintergründe geklärt werden:

Es mutet grotesk an, wenn sich ein Ombudsmann bemüssigt fühlt, Geschichtslektionen zu erteilen und dabei eine verkürzte, unkritische Sicht auf die Entstehungsgeschichte und die Politik Israels gibt. Da die in den Punkten 1. bis 3. geäusserten Ansichten keinen direkten Bezug zur BDS-Kampagne haben, verzichten wir hier auf eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Argumenten.

1. Der Staat Israel wurde gegründet als Heimstätte für Juden, und zwar dort, wo das Volk Israel ursprünglich zu Hause war und von wo es vor fast 2000 Jahren in die Diaspora vertrieben wurde. Der Staat Israel entstand 1948 nicht konfliktfrei, im Gegenteil: Ihm ging jüdische Landnahme auf Kosten von Palästinensern voraus, und das von den arabischen Nachbarn bestrittene Territorium konnte der neue Staat nur in mehreren Kriegen (1948, 1956, 1967, 1973) behaupten. Man mag die Balfour-Deklaration von 1917 und den Uno-Teilungsplan von 1947 klug finden oder nicht: Der Staat Israel ist ein Faktum, er wird von der überwiegenden Mehrheit der Völkergemeinschaft anerkannt. Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, erhebt sich daher gegen Prinzipien der Uno und somit gegen das Völkerrecht. 

2. Der Staat Israel ist ein jüdischer Staat, weil der Zionismus das Ziel hatte, den verfolgten Juden in aller Welt eine Zuflucht zu bieten. Israel nennt sich „jüdischer und demokratischer Staat“.28 Dies tönt widersprüchlich, ist es aber nicht, genau so wenig, wie Großbritannien gleichzeitig ein demokratischer Staat und seine Königin als „defensor fidei“ das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche sein kann. Das Jüdische kommt in der bislang ungeschriebenen israelischen Verfassung vor allem im Wappen, in der Sprache und in den Feiertagen zum Ausdruck: Das Symbol ist der Davidstern, die Sprache ist Hebräisch (neben der aber gleichberechtigt Arabisch steht) und die Ruhe- und Feiertage richten sich nach dem jüdischen Kalender. Aber das Zivilrecht und die Halacha unterscheiden sich, und die Juden besitzen nicht mehr politische und individuelle Rechte als die Araber: Beide können wählen und sich wählen lassen, beide können ihre Grundrechte gerichtlich durchsetzen. Dies gilt allerdings nur für die Bewohner des Staates Israel, nicht für die besetzten Gebiete.

3. Kritik an Israel ist nicht gleichbedeutend mit Antisemitismus. Wer die aktuelle israelische Politik kritisiert oder bedenkliche Entwicklungen in der israelischen Gesellschaft geißelt, nimmt das Recht auf Meinungsäusserung wahr, und das tun auch viele Israeli innerhalb und außerhalb Israels und zudem viele Juden überall in der Welt. Antisemitismus richtet sich nicht gegen das verwerfliche Handeln von Juden (das jederzeit kritisierbar sein muss), sondern gegen das Jüdischsein an und für sich und gegen damit verbundene angebliche Eigenschaften und Stereotypen. Wer allerdings das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellt, spricht den Juden den eigenen Staat ab, und dies kommt einer antisemitischen Haltung gleich. Wird der Staat Israel vernichtet, werden Juden aus ihrer Ursprungsheimat und neuen Wahlheimat vertrieben, nur weil sie Juden sind. Und das wäre Antisemitismus. Antisemitismus aber ist etwas vom Übelsten, was sich eine Gesellschaft leistet, gerade vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung des Holocaust.

4. Eine Boykottbewegung gegen die Einwanderung von Juden in Palästina und gegen das Ziel, einen zionistischen Staat zu gründen, gibt es schon seit 1922, wie die Friedrich Naumann-Stiftung in einer interessanten Studie aufzeigt.29 Die 2005 gegründete BDS-Bewegung steht in der Nachfolge dieser früheren Bewegung, die ab 1975 auch von der Arabischen Liga getragen wurde, heute allerdings nur noch von Libanon voll verfochten wird. Auch die Palästinensische Autonomie-Behörde lehnt den Boykott ab. Die BDS-Bewegung schließt argumentativ an die Boykott-Bewegung gegen das südafrikanische Apartheid-Regime an, übersieht aber einen entscheidenden Unterschied: In Südafrika hatten die Schwarzen nicht die gleichen Rechte wie die Weißen; sie waren minderen Rechts. Im Staat Israel sind Juden und Araber rechtlich gleichgestellt.

Die schon in Punkt 2. aufgestellte und in Punkt 4. wiederholte apodiktische Behauptung, die palästinensischen EinwohnerInnen Israels hätten dieselben politischen und individuellen Rechte wie jüdische BürgerInnen Israels, zeugt vom der Weigerung, die an ethnisch-religiöse Zugehörigkeit geknüpften Vorrechte jüdischer Israelis (in Bezug auf Bodenbesitz, Ressourcen, Berufsausübung, Bildung, Städteplanung, Infrastruktur etc.) und die ausführlich dokumentierte systematische Diskriminierung und Unterdrückung der PalästinenserInnen im gesamten von Israel kontrollierten Gebiet zu Kenntnis zu nehmen. Siehe dazu ein Bericht von Adalah und die vom Palästinensischen Ausschuss der BDS-Kampagne zusammengefasste Studie. Zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich für Israel und die Staatengemeinschaft aus dem Palästina-Konflikt ergeben, siehe die Studie Wirtschaftsbeziehungen Schweiz-Israel.

Die in Fussnote 29 erwähnte Studie von Walter Klitz und Nicolas Klein-Zirbes argumentiert ebenfalls mit der angeblichen Bedrohung der Existenz Israels durch die BDS-Bewegung. Die Autoren reduzieren den diskriminierenden Charakter der israelischen Politik darauf, dass es „in privaten Sphären und durch Beamtenwillkür zu Fällen inakzeptabler Alltagsdiskriminierung auf beiden Konfliktseiten“ komme (Hervorhebung durch uns), und behaupten damit eine falsche Symmetrie der  Verantwortung für die vom Staat getragene und geplante strukturelle Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung in Israel. Das von den meisten politischen Kommentatoren längst als tot deklarierte Oslo-Abkommen sehen sie als „jüngste erfolgreiche Friedensverhandlungen“. Da die BDS-Bewegung eine grundlegend andere politische Einschätzung hat, qualifizieren sie diese als Schwarz-Weiss-Denken und sprechen BDS auf dieser Grundlage einer divergierenden politischen Meinung ab, tatsächlich für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit einzutreten.

5. Was ist das Ziel des Boykotts? Die BDS-Bewegung will a) die Diskriminierung der palästinensischen Bürger/innen in Israel beenden, b) die Besatzung (der besetzten palästinensischen Gebiete und der Golanhöhen) beenden und c) die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge (gemäß UN-Resolution 194) ermöglichen. Die Legitimität der Ziele ist umstritten. Viele Beobachter argumentieren, dass die Rückkehr der Flüchtlinge, deren Status von Generation zu Generation vererbt wird, den Tod des Staates Israel bedeuten würde.

Von einem Ombudsmann wäre zu erwarten, dass er sich hier auf das Völkerrecht stützt. Es entspricht der gängigen Praxis des UNHCR, dass auch Nachkommen von Personen, die die Kriterien eines Flüchtlings erfüllen, den Flüchtlingsstatus erhalten. Massgeblich für die Dauer der Flüchtlingseigenschaft ist, ob die betreffenden Personen die Option erhalten und davon Gebrauch machen, in ihr ursprüngliches Heimatland zurückkehren und dessen Schutz in Anspruch zu nehmen. Das Besondere an der Situation in Israel ist, dass der Staat auch 70 Jahre nach den Massenvertreibungen die Rückkehr der Geflüchteten und Vertriebenen sowie ihrer Nachkommen verweigert. In der gleichen Zeit hat Israel Hunderttausenden von jüdischen Zuwanderern aus aller Welt im Land angesiedelt. Die Bezeichnung „Tod des Staates Israel“ spielt ebenfalls mit einer Vernichtungsrhetorik, während tatsächlich dem Staat nur zugemutet würde, seine multiethnische und multireligiöse Realität anzuerkennen und allen StaatsbürgerInnen tatsächlich gleiche Rechte zu gewähren.

Was sind die Methoden des Boykotts? Anprangerung von Firmen, Künstlern, Sportlern und Akademikern, die mit Israel handeln, in Israel auftreten oder mit israelischen Partnern wissenschaftlich zusammenarbeiten. Letztlich geht es um die Isolierung Israels und um die Fortsetzung der Kriege von 1948-1973 mit anderen Mitteln.

Gewaltfreie Formen des politischen Drucks (Boykott, Sanktionen, Desinvestition) mit „Kriegen“ gleichzusetzen, ist ein gewagtes Argument. Damit wird jede Unterscheidung von zivilen und militärisch-kriegerischen Mitteln obsolet.

Zu Recht sagte Judith Wipfler im Interview, dass der kulturelle und der akademische Boykott mit den betroffenen israelischen Bühnen und Universitäten meist solche treffe, die in Bezug auf die israelische Politik gleicher Meinung sind wie die Boykotteure.

Israelis, die „in Bezug auf die israelische Politik gleicher Meinung sind wie die Boykotteure“ und folglich auch den akademischen und kulturellen Boykott befürworten, schätzen das veränderungswillige Potenzial der meisten israelischen akademischen und kulturellen Einrichtungen anders ein und weisen deren enge Verstrickung in die diskriminierende Politik des Staates nach. Sie sind auch willkommene Gäste an Veranstaltungen in aller Welt, weigern sich aber konsequenterweise, im Namen einer israelischen Institution aufzutreten.

6. Was sind die Beurteilungskriterien? Auf der einen Seite gibt es die Proklamationen, Selbstdefinitionen und Absichtserklärungen, auf der anderen Seite das effektive Handeln und die Wirkungen. Wenn die PLO und die Hamas in ihren Satzungen nach wie vor festhalten, dass sie den Staat Israel eliminieren wollen, faktisch aber seit langem einen pragmatischen Koexistenz-Kurs einschlagen, dann muss die Praxis mindestens so ernst genommen werden wie die Theorie.

Hier wird in einem rhetorischen Schlenker von den BDS-Zielen abgelenkt und ein Bezug zu Eliminierungsabsichten hergestellt, die weder mit der Theorie noch mit der Praxis von BDS etwas gemein haben.

Und wenn man liest: „BDS Schweiz stellt sich entschieden gegen alle Formen von Diskriminierung und Rassismus, einschliesslich Islamophobie und Antisemitismus“30, faktisch aber in Kauf nimmt, dass durch den Boykott diskriminierende Effekte eintreten, dann muss beides gegeneinander abgewogen werden.

Das entsprechende Zitat lautet vollständig: „Die BDS-Bewegung setzt sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit ein. Verankert in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, respektiert sie die grundlegenden Rechte aller unabhängig von ethnischer, religiöser oder geschlechtlicher Identität. BDS Schweiz stellt sich entschieden gegen alle Formen von Diskriminierung und Rassismus, einschliesslich Islamophobie und Antisemitismus.“ Aus dem Kontext sollte deutlich erkennbar sein, dass hier auf die Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer Identität Bezug genommen wird. Von dieser Form der Diskriminierung unterscheidet sich vom Boykott als politisches Druckmittel, das die Überwindung eines Unrechtszustands (einer ethnisch-religiös begründeten Diskriminierung) zum Ziel hat und endet, wenn dieser Unrechtszustand behoben ist.

Und nun zur beanstandeten Sendung:

Die Sendung war ein Interview. In einem Interview kann die Trennung zwischen Faktenvermittlung und Meinung nicht so leicht vorgenommen werden wie in einem Bericht, ja eigentlich überhaupt nicht. Das Interview gehört zu den interpretierenden Darstellungsformen, und das sagt bereits, dass die befragte Person Fakten mitteilt, sie aber gleichzeitig interpretiert, bewertet, einordnet. Wenn ein Interview angekündigt wird, dann weiß das Publikum von Radio SRF 2 Kultur, dass die befragte Person sich subjektiv äußert, dass sie kommentiert. Da das Publikum dies weiß, ist das Transparenzgebot aus meiner Sicht nicht verletzt.

Tatsächlich lässt ein Interview einen grösseren Spielraum für pointierte und parteiliche Stellungnahmen. Die Frage ist, ob bei der gewählten Form von moderierten Gesprächen innerhalb der Redaktion nicht strengere Massstäbe und ein höheres Mass an Sachlichkeit geboten wäre als bei einem tatsächlichen Interview mit externen Personen.

Judith Wipfler differenzierte an sich stark, sie beschrieb die BDS-Bewegung als heterogen und lose und machte deutlich, dass es sich nicht durchweg um Antisemiten handle. Da hätte sie speziell noch die BDS Schweiz ausnehmen sollen, und es war eine Unterlassung, dass sie sich bei ihren Recherchen nie bei Ihnen kundig gemacht hat. Denn ich nehme Ihnen ab, dass Sie sich nicht als Antisemiten verstehen, dass Sie nicht das Existenzrecht Israels in Frage stellen, sondern nur eine andere Politik in Bezug auf die Siedlungen, die Zwei-Staaten-Lösung usw. wollen. Aber: Sie können nicht verhindern, dass weltweit innerhalb der BDS-Bewegung gerade im arabisch-islamischen Raum klar antisemitische Gruppen mittun, die Israel das Existenzrecht absprechen. Insofern lag Frau Wipfler mit ihrer Einschätzung sicherlich nicht falsch.

Warum wir die Aussagen von Judith Wipfler in weiten Teilen im Gegensatz zu Ihnen als undifferenziert, falsch und diffamierend erachten, ist weiter oben ausgeführt. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass BDS Schweiz sich in den Einschätzungen, Zielen und Methoden nicht von der palästinensischen BDS-Kampagne unterscheidet und wir dem Gegensatz, den Sie hier aufmachen (auch wenn es BDS Schweiz sozusagen von Antisemitismusvorwürfen entlastet), nicht folgen können. Für die lokale wie die internationale Kampagne gilt gleichermassen, dass der Vorwurf des Antisemitismus konkret zu belegen wäre. Judith Wipfler und die zitierten Quellen bedienen sich aber einer undifferenzierten Antisemitismusdefinition, die sich nur auf die von BDS formulierte Israelkritik stützt und daher kaum zur Überwindung des tatsächlichen Antisemitismus und anderer Formen des Rassismus beitragen kann.

Und Sie können auch nicht verhindern, dass Boykottaufrufe letztlich palästinensischen Arbeitskräften schaden. Es ist etwas scheinheilig, dann die Verantwortung auf Israel zu schieben (denn auch wenn die Beschäftigungspolitik eine andere wäre, wären sicher nicht 450 Arbeiter, die bisher in ihrer Nähe im Westjordanland arbeiten konnten, täglich in den Negev gependelt).

Die BDS-Bewegung und die palästinensischen Arbeitskräfte fordern Rechte und nicht Almosen. Sie können selbst beurteilen, welche politische Strategie sie für sinnvoll erachten. Israel hat die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung im besetzten Gebiet in den letzten Jahrzehnten drastisch eingeschränkt und deren Wirtschafts- und Lebensraum stark segregiert, was zu enormen wirtschaftlichen Einbussen der PalästinenserInnen in allen Teilen des besetzten Gebiets inklusive Gazastreifen, Ostjerusalem und Westjordanland geführt hat. Die wenigen PalästinenserInnen, die tatsächliche noch eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Israel selbst haben, müssen täglich lange Fahr- und Wartezeiten in Kauf nehmen. Es zeugt von Unkenntnis oder Arroganz, den PalästinenserInnen abzusprechen, dass sie unter diskriminierungsfreien politischen Bedingungen als PendlerInnen arbeiten würden, wie dies weltweit unzählige Arbeitskräfte tun.

Ich gelange zum Schluss, dass ich Ihrer Kritik in der Sache in Bezug auf Antisemitismus, Existenzrecht, Unterstützung durch Staaten und Terrororganisationen, Arbeitslosigkeit für Palästinenser letztlich nicht folgen kann, gebe Ihnen aber Recht in der Form: Die Redaktorin hätte sich bei Ihnen kundig machen müssen. Insofern kann ich Ihre Beanstandung teilweise – in einem von sechs Punkten – also zu 17 Prozent – unterstützen.

Nach all der ideologischen Parteinahme überrascht es nicht, dass Sie unserer Kritik nicht folgen können. Angesichts der inkorrekten Begründung müssen wir uns leider auch von der „17-prozentigen Unterstützung“ distanzieren, die Sie der Schweizer BDS-Bewegung zugestehen.

Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.  

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