Newsletter BDS Schweiz - Ausbeutung, Kolonisierung, Apartheid: Solidarität mit den palästinensischen Arbeiter*innen zum 1. Mai
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Die Coronapandemie, die die Schwächsten am härtesten trifft, hat die Risse in unserer Gesellschaft und den Zusammenhang zwischen Lohnungleichheit, gesundheitlicher Ungleichheit, strukturellem Rassismus und der Klimakrise aufgezeigt. Deutlich zeigen sich diese Verflechtungen in Israel/Palästina, wo die palästinensische Bevölkerung unter einem Apartheid-Regime lebt, d.h. in einer Situation systematischer und institutionalisierter Unterdrückung durch den israelischen Staat, die sich während der Krise nochmals verschärft hat.
Die Situation in Palästina ist katastrophal
Im Westjordanland haben die über 70 Jahre Besatzung, die weitreichende Enteignung von Land und die illegale Ansiedlung von 650.000 israelischen Siedler*innen die palästinensische Wirtschaf t zerstört. Die Erwerbsarbeitslosenquote von 25% trifft vor allem Frauen und junge Menschen. Im Gazastreif en, der seit 13 Jahren unter Blockade steht, liegt die Arbeitslosenquote bei 60 %. Diese ohnehin schon schreckliche Situation wird laut UNO bald unert räglich sein. In O st -Jerusalem geht die et hnische Säuberung mit der Vertreibung der Palästinenser*innen aus ihren eigenen Häusern weiter.
Um zu überleben, haben Palästinenser*innen of t nur die Möglichkeit, als Tagelöhner*innen in Israel oder in den illegalen Siedlungen im Westjordanland zu arbeiten, wo sie als billige und unfreiwillige Arbeitskräfte eingesetzt werden.
Arbeitsbedingungen und Löhne
Etwa 130'000 Palästinenser*innen aus der Westbank arbeiten in Israel. Ihre Arbeitserlaubnis und ihre Aufenthaltsbewilligung, bzw. die Erlaubnis, einen der Checkpoints an der Apartheidmauer zu passieren, hängt von den Chef*innen ab, die Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen ausüben kann (vergleichbar mit dem saisonalen Status in der Schweiz!). Etwa 40% von diesen Arbeiter*innen erhalten ihre Arbeitserlaubnis über eine Vermittlungsstelle, die ihnen im Gegenzug 10% der Lohns abknöpft. Ausserdem werden 10% des Gehalts, die für die Sozialversicherung bestimmt sind, an der Quelle von einer israelischen Agentur abgezogen, die sie an eine palästinensische Einrichtung auszahlen müsste. Aber der israelische Staat hält dieses Geld als eine Art Lösegeld zurück. Mit anderen Worten: Die Palästinenser*innen zahlen für eine Rente, die sie nie erhalten werden. Etwa 30.000 Palästinenser*innen arbeiten im Baugewerbe und in der Landwirtschaft in den illegal errichteten Siedlungen im besetzten palästinensischen Gebiet, in denen das israelische Arbeitsrecht gültig wäre. Aber diese palästinensischen Arbeiter*innen profitieren weder von einem Mindestlohn noch von einer Kranken- und Unfallversicherung. Für 10 Stunden Arbeit auf dem Feld erhalten sie oft nur umgerechnet 8,00 Franken pro Tag. Ausserdem wird geschätzt , dass in den Sie dlungen rund tausend palästinenische Kinder unter 16 Jahren in der Landwirtschaft schuften.
Und die Gewerkschaft?
Bis vor kurzem weigerte sich die grosse israelische Gewerkschaft Histadrut, palästinensische Arbeiter*innen in Israel und in den illegalen Siedlungen der Westbank gewerkschaf tlich zu organisieren. Und natürlich können palästinensische Gewerkschaf ten nicht in Israel oder in den israelischen Siedlungen in den OPT arbeiten.
Die aktuelle Krise zeigt die vielen Wege auf, auf denen Chef*innen, die Histadrut und der israelische Staat palästinensische Arbeiter ausbeuten, indem sie die Lohnkosten senken, um Israels koloniales Projekt profitabel zu machen.
Gesundheitliche Apartheid
Völkerrechtlich ist eine Besatzungsmacht zum Schutz der Gesundheit der Bewohner*innen des besetzten Gebietes verpflichtet. Aber auch hier überträgt Israel die Verantwortung auf die schwache Infrastruktur des palästinensischen Gesundheitssektors und der palästinensischen Wirtschaft. Tatsächlich schliesst Israels vielgepriesene Impfkampagne die Palästinenser*innen im besetzten Gebiet aus, obwohl Netanyahus Regierung gleichzeitig ihre überschüssigen Impfstoffe potenziellen verbündeten Staaten angeboten hat.
Die internationale Solidarität mit den palästinensischen Arbeitern*innen ist keine Einbahnstrasse. Sie erlaubt uns, Parallelen und Zusammenhänge zwischen den Mechanismen, die zur Unterdrückung und Ausbeutung der Palästinenser*innen genutzt werden, und dem Handeln von Unternehmen und Institutionen in unserem eigenen Land zu erkennen. Die Unterdrückungsmethoden sind ganz konkret miteinander verknüpft. Die 2015 von der Schweizer Armee gekauften ELBIT-Drohnen, die der rassistischen «Grenzüberwachung» dienen sollen, sind dieselben, die 2014 bei dem tödlichen israelischen Angriff auf den Gazastreifen eingesetzt wurden, bei dem über 1.200 Zivilisten getötet wurden. Dieselben Drohnen werden von Frontex zur Überwachung des Mittelmeers und zur Jagd auf Geflüchtete eingesetzt.
Die globale Solidarität mit Kämpfen gegen Unterdrückung, Rassismus, Militarisierung und Apartheid anderswo kann unsere Widerstandsbewegungen hier für soziale, klimatische und feministische Gerechtigkeit nur stärken.